AIM - Geistige Heilweisen für Menschen und Tiere - - Familienaufstellungen, Menschen, Tiere, Pferd, Hund
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Wenn Tiere in Familienaufstellungen mitwirken dürfen,

dann gibts für uns Menschen unendlich viel zu lernen!

 

Von August und Sabina Rüggeberg, München

 

  

Das Entscheidende, dass wir von unseren Tieren gelernt haben, haben wir in Familienaufstellungen gelernt, in denen unsere Tiere dabeisein durften!

Die Tiere erwiesen sich als unvergleichlich sensibler und schneller, wenn es um das Verstehen komplexer Familien-Hintergründe ging - es entstand bei uns ein völlig neues Weltbild um die Tiere. -

 

Araberstute im Wasser

Foto: Araberstute im Wasser - Arabic Mare in the Water

 

Seit 1996 arbeiten wir  in unserer Münchener "Praxis für Menschen und Tiere".

Aus unseren langen Erfahrungen als Blindenführhund-Halter und Reiter bzw.

als Reiterin und Halterin von vielen Tieren, war für uns von Anfang an klar, daß die Tiere dazugehören müssen.

 

Es begann mit Tier-Kinesiologie bei Rosina Sonnenschmidt (1), und bald auch mit der Psycho-Kinesiologie nach Dietrich Klinghardt (2), die ein besonders tiefes inhaltliches Verstehen der seelischen Anliegen von Tieren ermöglicht. Wir begriffen staunend, wie höchst ähnlich die Seelennöte der Tiere denen von uns Menschen sind, und wie eng unsere Tiere auch systemisch mit uns verbunden sind (3).

 

So begannen wir bald, auch Familienaufstellungen bei seelischen oder physischen Problemen von Tieren oder bei Problemen von Menschen mit ihren Tieren durchzuführen.

  

Hunde und etwas seltener Katzen, da letztere oft fremde Umgebung scheuen, durften bei "ihren eigenen" Aufstellungen anwesend sein, und sehr schnell wurde klar, daß die Tiere den dynamischen Ablauf ihrer Aufstellung zweifelsfrei genau verstehen, sehr häufig sogar viel sensitiver und schneller als die beteiligten Menschen. Und noch mehr:

Wenn wir den Tieren während der laufenden Aufstellung Bewegungsfreiheit gewähren, beginnen sie häufig, sich ins Aufstellungsgeschehen aktiv einzuschalten und auch wichtige Beiträge zum weiteren Fortgang der Aufstellung zu leisten.

 

Ein Hund etwa begab sich spontan, aber zielstrebig genau an die Seite seines menschlichen Stellvertreters in der Aufstellung. Diesem Tier mußten wir nicht erst sagen, daß es nun mal seinen Platz in der Aufstellung einnehmen sollte.

Die Halterin einer Hündin berichtete, daß sie  wider besseres Wissen  den Hund regelmäßig überfütterte und zwischendurch noch zusätzlich mit Leckerbissen verwöhnte. "Eigentlich ein fast lächerliches Problem", mag man denken  braucht man da wirklich eine Aufstellung?

 

Bei der Schilderung ihres Anliegens geriet sie aber in  grosse Angst. In der Aufstellung schaute sie auf den Boden. Auf Anfrage schilderte sie mehrere traurige Todesfälle in ihrer engeren Familienumgebung. Ganz zuletzt erwähnte sie auch ihren Onkel, welcher mit seinem Sohn im Auto unter einen Zug gefahren war. Der Onkel wurde dabei schwer verletzt, sein Sohn kam ums Leben. Genau in diesem Augenblick sprang der bis dahin völlig ruhige Hund plötzlich ins aufgestellte System und stieß einen gellenden Schrei aus. Er gab damit einen völlig korrekten Hinweis auf den systemischen Kern des weiteren Aufstellungsverlaufs (4).  

 

Für einen anderen Hund stellten Frauchen und Herrchen wegen seines Ungehorsams und ungestümen Verhaltens auf. Der "Unzähmbare" selbst war nicht anwesend dabei, und seine Stellvertreterin ließen wir symbolisch in der Aufstellung auf allen Vieren stehen. Der anwesende Hund einer anderen Teilnehmerin stand plötzlich während der Aufstellung auf und legte sich genau dort auf den Boden, wo die Stellvertreterin der Halterin beständig hinschaute. Wie man aus Familienaufstellungen weiß, ist das in aller Regel der Platz eines vergessenen verstorbenen Menschen, im vorliegenden Falle, wie wir vermuteten, eines abgetriebenen Kindes des unverheirateten Paares.

 

Wir setzten einen Stellvertreter für dieses abgetriebene Kind an die Stelle, die der Hund präzise erspürt hatte,und die Hypothese bestätigte sich. Als wir die Stellvertreter des Hundes und des abgetriebenen Kindes ihre Plätze tauschen ließen, veränderte sich für keinen Vertreter etwas Nennenswertes. Wir durften also schließen, daß der Hund mit dem abgetriebenen Kind identifiziert war. Es war der Halterin in der Aufstellung zunächst unmöglich, ihr abgetriebenes Kind anzuschauen und mit ihm eine Herzensverbindung herzustellen. Wir brachen deshalb die Aufstellung einstweilen ab. Nachdem sich die Stellvertreter bereits hingesetzt hatten, lief der Hund erneut exakt an die Stelle, wo das abgetriebene Kind gesessen hatte, und begann jämmerlich zu jaulen. Dadurch war die Halterin derart betroffen und angerührt, daß wir die Aufstellung doch noch fortsetzten, und sie und ihr Partner bekamen nun auch tieferen emotionalen Kontakt zum abgetriebenen Kind. Angesichts eines friedlichen Aufstellungs-Endes konnte sich dann auch der Hund beruhigen.

 

Bereits am nächsten Tag berichteten die Halterin und ihr Lebenspartner, daß der Umgang mit dem Hund ganz erheblich leichter geworden sei. Das Paar übrigens gab kurz darauf seine Entscheidung bekannt, nach langen Jahren des Zusammenlebens nun endlich doch noch zu heiraten.

 

Wie anders, als durch ein tiefes systemisches Verständnis dieses Hundes sollte es erklärbar sein, daß er  als "Nichtbetroffener" sich mit der systemischen Position seines nicht anwesenden Artgenossen so sehr identifizierte, daß er aktiv ins Aufstellungsgeschehen eingriff? - Erschütternd ist es auch immer wieder zu sehen, welch ungeheure Lasten Tiere für ihre Menschen tragen.

 

Die Hündin eines Ehepaares entwickelte ein Pankreas-Carcinom. In der Aufstellung begann der männliche Stellvertreter, den der Ehemann für die kranke Hündin ausgesucht hatte, plötzlich am ganzen Körper krampfartig zu zucken. Niemand aus der Gruppe (außer uns und den Klienten) wußte, daß die Hündin infolge des Carcinoms hypoglykämisch bedingte epileptische Anfälle hatte. Als wir eine junge Frau vor den Ehemann auf den Boden legten, dort wo dieser konstant hinschaute, hörten die krampfartigen Zuckungen sofort  auf.

 

Um ganz sicher zu gehen, entfernten wir die junge Frau noch einmal kurzzeitig aus der Aufstellung, und sogleich kehrten die Zuckungen zurück. Wir erläuterten nun dem Ehemann und Vater, dies sei seine Tochter, die bei einem Verkehrsunfall nach einer Busfahrer-Rivalität in der Türkei ums Leben gekommen war. Der Vater allerdings konnte die Botschaft nicht anerkennen, daß seine Hündin für ihn die Trauer über die verstorbene Tochter trug, und zwar aus Liebe zu ihm bis zur bitteren Konsequenz einer Erkrankung zum Tode. Er meinte, er habe diese Trauer längst verarbeitet.

Die Hündin lebte ca. noch zwei Jahre, vielleicht ist ja doch ein Teil ihrer Liebesbotschaft erhört worden. Diese Hündin griff  ganz in Entsprechung zu ihrer still das Leid tragenden Rolle im Familiensystem  nicht aktiv ins Geschehen ein, zeigte aber dezent im Hintergrund durch Stöhnen oder nervöses Aufstehen an "Hotspots" deutlich ihre innere Beteiligung.

 

Eine Frau klagte, sie habe große Probleme mit ihrer Schildkröte, weil diese jede Gelegenheit zum Fortlaufen nutze. Es stellte sich heraus, daß ihr bereits zwei Ehemänner weggestorben waren: "Der erste vielleicht an Aids", sie wisse das aber nicht genau, der zweite durch einen Autounfall. Wir stellten zunächst den zweiten Ehemann auf, jedoch die starke Tendenz des Stellvertreters der Schildkröte, aus dem aufgestellten System zu laufen, verringerte sich erst , als der erste Ehemann aufgestellt war. Die Stellvertreterin der Klientin hatte größte Mühe, den ersten Ehemann anzusehen, sein Schicksal zu würdigen und ihm für die empfangene Liebe zu danken. In die Trauer kam sie nur ansatzweise hinein. Als die Klientin selbst hineingenommen wurde, zeigte sie statt Trauer eher Entsetzen über das, was diese "einfache" Tieraufstellung "nur" mit einer Schildkröte ans Licht gebracht hatte.

 

Auch diese Aufstellung ist ein Beispiel dafür, daß in der großen Mehrheit der Tieraufstellungen die Tiere durch ihr Verhalten oder durch ihren physischen (Erkrankungs)-Zustand auf Probleme der Menschen im System verweisen. Meist sind dies besonders schwere und tiefgreifende Probleme, etwa sehr stark verdrängte, weil schwer lebbare Gefühle, häufig auch aus dem Umkreis von "Verwirrung, Wahnsinn und Verrücktheit" (5).

 

Bei der 4. Internationalen Tagung zu System-Aufstellungen vom 30.4.-3.5.2003 in Würzburg veranstalteten wir einen Workshop, bei dem Anliegen von Familien mit Tieren bzw. um Probleme von Tieren im Familiensystem großes Interesse fanden. (siehe dazu Kasten am Ende dieses Artikels!)

 

Über 100 Teilnehmer verfolgten eine psycho?kinesiologische Arbeit für ein sehr nervöses Pferd, das u.a. die innere Unruhe seiner Halterin trug. Anschließend führten wir zwei Familienaufstellungen durch, welche von einem Hund, um den es dauernd Familienstreit gab, bzw. von zwei "sehr schwierigen" Katzen ausgingen (die Tiere selbst waren nicht anwesend). Der Hund (Stellvertreter war ein Tierarzt) vertrat im Familiensystem ein abgetriebenes Kind und verwies auch auf den von der Mutter nicht gewürdigten türkischen Vater. Die beiden Katzen standen für nicht angeschaute, persönliche bzw. familiäre Probleme der Halterin. Eine der Katzen war querschnittgelähmt, nachdem sie vom Balkon der Halterin aus dem sechsten Stock gesprungen war.

 

Diese Aufstellungen zeigten gravierende Probleme der Klienten, die natürlich im Workshop nicht gelöst werden konnten. Wir ziehen aus diesen Erfahrungen die Konsequenz, daß wir bei Tieraufstellungen, die so oft Dramatisches ans Licht fördern, künftig sorgsam darauf achten, daß für die Klienten die Möglichkeit einer qualifizierten nachgehenden Betreuung sichergestellt ist.

 

 

Die Kraft, die von den Pferden kommt

 

Erste Erfahrungen mit Pferden, welche an ihren eigenen Aufstellungen - natürlich in einer Reithalle - teilnehmen durften, danken wir Marije und Sake Roozen, Aufsteller-Kollegen und mittlerweile liebgewordenen Freunden, die ein grandioses Aufstellungswochenende nur um Tiere im August 2003 in Breda, Holland organisierten.

 

Es gab sechs Aufstellungen mit Hunden und eine mit einer Katze. Auch die Katze durfte sich während "ihrer" Aufstellung frei im Raum bewegen. Sie zog sich bald unter ein Sofa zurück, obwohl - und auch das ist nach unserer Erfahrung typisch für Tier-Aufstellungen - keiner der anwesenden ca. sechs Hunde die geringsten Anstalten machte, ihr nahezutreten. Die Katze übrigens förderte ein schwerwiegendes Familiengeheimnis um Kindstötung in der Familie ihrer Halterin zu Tage. Ist es die Ernsthaftigkeit und Tiefe, die die Tiere bei dieser Arbeit spüren, was sechs anwesende, keineswegs alle so wohlerzogene  Hunde zu respektvoller Ruhe gegenüber einer frei laufenden Katze bewegt?

 

Die Pferde, mit denen wir arbeiteten, wurden jeweils zu Beginn ihrer Aufstellung in die Reithalle geführt.

 

 

Autoaggression eines Pferdes - "Jetzt kann ich dich tragen"

 

Solskin ist ein spürbar ruhiges, freundliches Islandpferd. Piet, sein Halter erklärt: "Als ich Solskin einreiten wollte, hat er sich dreimal an harten Gegenständen so schwer verletzt, daß er nachher jeweils wochenlang in der Tierklinik bleiben mußte." Dem Aufsteller reicht das als Anfangsinformation, und während Piet aufstellt, mache ich, der Aufsteller, das Pferd vom Halfter los, damit es sich frei in der Reithalle bewegen kann.

Solskin liebkost dabei behutsam mit seinen Lippen meine rechte Hand. Es ist, als wollte er sagen: „Ok, du machst jetzt für mich die Aufstellung, und ich vertraue Dir!“  Die Verhaltensforscher sagen uns, man soll die Gesten von Tieren nicht vermenschlichen. Daß hier ein Rapport entstand, steht aber ausser Zweifel.

 

Piet stellt zwei Männer auf, einen für sich selbst, den anderen für sein Pferd. Unterdessen beschnuppert Solskin minutenlang in Ruhe alle knapp 20 anwesenden Menschen. Piets Stellvertreter hat Herzklopfen, fühlt sich sogleich schwach und nach hinten gezogen. Er schaut durch die Öffnung des Sitz-Kreises, die dem Pferd Bewegungsfreiheit in der gesamten Halle ermöglicht, nach außen. Der Stellvertreter des Pferdes schaut zu Boden.

 

Ich stelle Piets Vater und später auch seinen Großvater hinter Piets Stellvertreter auf, um letzteren zu stärken. Das bringt jedoch wenig Besserung. Wie Piet auf Befragen berichtet, der Vater habe sich immer untergeordnet, geht Solskin aus dem Kreis und trabt weg. Er wirkt insgesamt ruhelos während des Aufstellungsverlaufs und wiehert oft, beteiligt sich aber hier und da auch aktiv am Geschehen. Der Vater schaut beharrlich auf den Boden, statt aufforderungsgemäß den Großvater anzuschauen. Er äussert, daß es Dinge gibt, von denen er nichts wisse. Daher lege ich eine Tote zwischen beide. Für den Großvater ändert das nichts, für den Vater auch nicht, er schaut aber weiter auf die Tote. Piets Stellvertreter fühlt sich jetzt etwas weniger beteiligt und nicht mehr ganz so schwach, er rückt etwas weiter weg.

 

Erst als wir die Großmutter hinzu nehmen, kommt die Aufstellung wieder in Bewegung  und sogleich auch das Pferd, welches erneut die Weite der Halle sucht. Es zeigt sich, daß die Großmutter eng als Trauernde, wohl auch Täterin mit dieser geheimnisvollen Toten verbunden ist, und daß auch der Großvater mitbeteiligt war. Genau als die Großmutter zu weinen beginnt, kommt Solskin ihr und dann auch Piet selbst kurz nahe. Während der Großvater beharrlich nicht hinschauen will, reibt Solskin intensiv den Kopf an einem leeren Stuhl und wirft ihn schließlich um.

 

Schließlich lasse ich den Vater zum Großvater sagen: „Lieber wende ich mich ab, als statt deiner hinzuschauen - ich muß das alles bei Dir lassen - dennoch bleibst du immer mein lieber Vater.“ Gleichzeitig liebkost Solskin Piets Stellvertreter mit den Lippen. Der Vater wendet sich nun dem Sohn zu, und dieser (Piets Stellvertreter) geht - eng begleitet von Solskin - auf den Vater zu und erkennt an, daß der Vater eine schwere Last zu tragen hatte, auch wenn er deren Geheimnis nicht genau kennt. Dabei geht Solskin nahe zu Piet selbst hin, anschließend in den Kreis und beschnuppert den Kopf der geheimnisvollen Toten. Piet, der Sohn, den wir am Ende in die Aufstellung hineinnehmen, läßt sich vom Vater umarmen und kann am Ende endlich Kraft von ihm nehmen. Gleichzeitig beschnuppert Solskin  nun wieder völlig ruhig Teilnehmer im Kreis und bleibt am Ende von sich aus endgültig und dauerhaft nahe bei Piet.

 

Für alle Anwesenden, darunter eine Reihe Aufsteller-Kollegen, hat die Bewegungsdynamik des Pferdes eng die systemische Dynamik der Aufstellung nachgezeichnet. Solskin verwies durch sein autoaggressives, sich entziehendes Verhalten auf das, auch in der Aufstellung nicht völlig klärbare Familiengeheimnis. Als in der Aufstellung die Schwäche von Piet deutlich wurde, geriet das Tier in sichtbare Unruhe und entfernte sich physisch von Piet - ähnlich wie durch jene längeren Tierklinik-Aufenthalte im Anschluß an die selbst beigebrachten Verletzungen. Die Annäherung an das Familiengeheimnis ging erneut mit Unruhe beim Pferd einher, und erst, nachdem der Vater des Halters sich vom Familiengeheimnis abwenden und seinem Sohn Kraft geben konnte, war auch das Pferd endlich in der Lage, von sich aus die Nähe des Halters zu suchen und bei ihm zu bleiben.

Erfreulich auch die Rückmeldung von Piet nach sechs Wochen: Als er am Tag nach der Aufstellung zur Weide kam, war Solskin weit entfernt. Erstmalig kam das Pferd auf ersten Anruf sofort herbei, ließ sich erstmalig ohne jedes Problem satteln, und beim Reiten herrscht seit dem Frieden - kein Buckeln, keine Unruhe mehr.  

 

 

"Ich sehe was, was du nicht siehst"

 

In der Aufstellung mit Stute Lena ging es nicht um Probleme des Pferdes, sondern um die tiefe, uralte Schwierigkeit der Halterin Anne, sich auf Nähe im Kontakt mit Tieren, noch mehr aber mit Menschen einzulassen. Die Klientin wirkte wie unter einer schweren Trauer-Last. Sie sagte, sie fühle eine tiefe Spaltung zwischen Kopf und Herz und habe kaum Zugang zu ihren Gefühlen. Lena sei "sehr sanft in ihren Bewegungen", hatte sie angekündigt, aber schon beim Hereinführen in die Halle zeigte Lena gestressten Unwillen und hatte kaum Verbindung mit Anne. Die Teilnehmer saßen nun vorsorglich in Form eines weit geöffneten Hufeisens, um mehr Bewegungsfreiheit für das Pferd zu schaffen.

 

Zunächst werden für "Kopf", "Herz" und das Pferd Stellvertreter aufgestellt. Lena geht und trabt mit steif nach hinten gestellten Ohren aggressiv gespannt in der Aufstellung herum. Der  "Kopf" blickt zu Boden und droht zusammenzubrechen. Als Aufstellerin frage ich nach ausgeschlossenen Familienmitgliedern, und Anne berichtet über einige, ohne daß dadurch irgendeine Dynamik in die Aufstellung kommt. Als ich bemerke: „Da fehlt noch jemand“, rast das Pferd im Galopp aus der Weite der Halle auf die Gruppe zu, vor der es Halt macht. Selbst den erfahrenen Pferde-Kennern unter uns wird es bei diesem  und den folgenden ungezügelten Emotionsausbrüchen ungemütlich  eine Erfahrung, die wir wohl erst machen mußten.

 

Anne will Weiteres erzählen, gerät aber sogleich in völlige Verwirrung und erklärt, sie habe jetzt "einen totalen Blackout". Fast gleichzeitig wirft die Stute einen Stuhl um. Das "Blackout" wird aufgestellt und schwankt deutlich. Der "Kopf" möchte sich hinlegen, darf sich aber aus Sicherheitsgründen nur auf einen Stuhl setzen. Das bringt bei Lena und bei ihrer Stellvertreterin zeitweise eine teilnahmslose Beruhigung. Das "Blackout" weist wiederholt in die entfernteste Ecke der Halle, wo sich auch Lena mittlerweile hinbegeben hat und in die Ecke schaut.

 

Als ich sage: "Da gehört eine Person hin", dreht sich Lena plötzlich um und galoppiert erneut wild durch die gesamte Halle hindurch Richtung Aufstellung. Ein Mann wird in jene Ecke geschickt und Lena begleitet ihn auf dem 50m langen Weg dort hin und stellt sich breit vor ihm auf, so daß die Gruppe ihn nicht sehen kann. Ich gehe nun mit der Stellvertreterin der Klientin den langen, fast endlos wirkenden Weg zu jenem Mann in die entfernte Ecke der Halle, eng begleitet von Lena.

Der Mann fühlt sich stark, er kontrolliert alles. Besonderen Bezug fühlt er zum Pferd, zum "Kopf" und zur Stellvertreterin von Anne. Diese fühlt sich traurig und weint, er nimmt sie in den Arm. Sie sagt zu ihm: "Du gehörst dazu", er spontan: "das weiß ich". Sie soll ihn nun zum "Kopf" führen, aber er führt eher sie. Die Stute begleitet erneut beide eng auf dem Weg durch die Halle. Dabei stellt sie sich dreimal quer zwischen Annes Stellvertreterin und den Mann einerseits und den "Kopf" andererseits, ähnlich wie Mutterstuten sich schützend vor ihr Fohlen stellen. Das zuvor so bedrohliche Pferd wirkt jetzt geradezu verantwortungsbewußt und kooperativ.

Als der Mann schliesslich vor dem "Kopf" steht, sagt dieser zu ihm: "Jetzt sehe ich dich." Parallel dazu zeigt Lena noch ein letztes Mal für heute ihre aggressive Unruhe, scharrt und wirft den Kopf hoch. Ich setze eine neue Stellvertreterin auf den Stuhl, den zuvor der "Kopf" inne hatte. Als der Mann ihr die Hand geben soll, wird er schwach und machtlos. Ich erkläre, dies sei die Frau, welche tatsächlich mit jenem Mann zu tun hatte, und dabei richtet sich das "Blackout" spontan völlig auf.

Der Mann fühlt sich sehr schuldig. Die unbekannte Frau beginnt zu weinen und legt ihren Kopf auf die Knie, wobei sie von Lena beschnuppert wird. Er kniet vor ihr nieder, legt den Kopf auf ihre Knie, und sie ihren Kopf auf seinen. Schließlich umarmen sie sich. In diesem Moment geht Lena erstmalig in der ganzen Aufstellung zu Anne, ihrer Halterin. Ich erkläre Anne, daß diese beiden tot sind, was beide klar bestätigen. Das "Blackout" erkennt sich als den Toten zugehörig, nach deren Versöhnung aber als überflüssig. Nun stehen "Kopf", "Herz" und Annes Stellvertreterin vereint nebeneinander.

Anne selbst wird hineingenommen, die sich vor dem unbekannten Paar spontan tief verneigt und die Stellvertreter nach und nach aus den Rollen entläßt. Nach etwa einer halben Minute tief empfundener Stille galoppiert Lena aus der Ferne der Halle, verlangsamt zum Trab und kurvt schließlich ganz ruhig in den Kreis der sitzenden Menschen. Spontan sage ich: "Jetzt kommt Fury!"

In völliger Ruhe läßt sich das zuvor so hoch erregte Pferd von Anne aus der Halle führen.

 

Nach dieser Aufstellung war uns endgültig klar, daß große Vorsicht am Platze ist, in systemisch spannungsvollen Aufstellungen der Pferdeenergie einfach freien Raum zu lassen. Wer Aufstellungen mit Pferden leitet, sollte unbedingt viel Erfahrung im Umgang mit diesen Krafttieren haben. Keinesfalls sollten Menschen als Stellvertreter am Boden liegen, wenn ein Pferd frei läuft, und die Fürsorge des Aufstellers gebietet wohl, in der Mehrzahl der Fälle das teilnehmende Pferd am Halfter zu halten.

 

Bemerkenswert ist bei dieser Aufstellung auch die alle gewohnten Grenzen sprengende Großräumigkeit des aufgestellten Systems. Sie ergab sich nur teilweise aus den großräumigen Bewegungen des Pferdes, sondern auch die Intuition der Klientin beim Aufstellen führte zu dieser Weitläufigkeit. Die seelische/systemische Spannung, welche dadurch gerade bei den räumlichen Bewegungen im Aufstellungsfeld entstand, war spürbar größer als bei räumlich kleineren Konstellationen. Wie weit dies etwas über die Feldkräfte in weitläufig aufgestellten Systemen zeigt, sei dahingestellt.

 

Und schließlich: Welch ein ungeahntes, tiefes Verständnis der Tiere zeigt sich in diesen Aufstellungs-Prozessen. Wie schnell  ja oft schneller als wir Menschen  erfassen sie den Kern der vorliegenden Dynamik. Wie tief und vehement geraten sie unter den Einfluß der systemischen Dynamik und agieren die Gefühle ungefiltert aus. Wie sicher und zuverlässig andererseits folgen die Tiere aber auch dem Aufstellungsprozess hin zur Lösung und zeigen uns deren Angemessenheit, indem sie aus heftiger Erregung zu Ruhe und Frieden zurückfinden - ja wie befreit von der Last wirken, die sie für uns Menschen oft so lange getragen/erfühlt haben.

 

 

"Leistungsstörungen" eines Tournierpferdes - "Der Freispruch gibt Kraft!"

 

In der dritten Pferde-Aufstellung jedenfalls trugen wir Sorge, daß der menschliche Stellvertreter des Pferdes dieses am Halfter führte, zumal dessen Halter, Jan, sein Pferd als "nervös" charakterisiert hatte. Es ging hier darum, daß das Pferd  trotz langen Trainings  keine Fortschritte in der Vorbereitung auf die Turnierarbeit machte.

Die Aufstellung zeigte, das der etwa 30?jährige Halter seit vielen Jahren von seinen Eltern verdächtigt worden war, der jüngeren Schwester etwas angetan zu haben. Ebenso deutlich ergab sich aber auch, daß dies nicht der Fall gewesen war. Jan bestätigte im Nachhinein dieses erstaunliche Ergebnis der Aufstellung und zeigte sich sichtlich entlastet, als er hineingenommen und durch die (Stellvertreter der) Eltern von diesem tiefgreifenden Vorwurf freigesprochen wurde.

 

Bemerkenswert an der Mitwirkung des (liberal am Halfter gehaltenen) Pferdes war hier, daß es sich meist in der Nähe des Klienten-Stellvertreters aufhalten wollte. Der Stellvertreter des Pferdes - selbst Familienaufsteller -, welcher das Pferd am Halfter führte, berichtete, er habe sich angesichts der ständigen Nähe zum Pferd in nie dagewesener Weise in das Pferd hineinversetzen können, eigentlich sei er selbst ein Pferd gewesen. Er spürte tief, welch schwere Last von dem Tier genommen wurde, als sein Halter von jenem alten Schuldvorwurf freigesprochen wurde. Diese starke telepathische Übertragung findet sich auch häufig in der Psycho-Kinesiologie mit Tieren bei der Testperson, die im Kontakt mit dem Tier steht und deren Muskel stellvertretend für den des Tieres getestet wird.

 

Bei weiteren Aufstellungen mit Pferden Anfang Oktober 2003 hat es sich sehr bewährt, den menschlichen Stellvertreter des Pferdes zugleich das Pferd am Strick halten zu lassen, und zwar mit der Anweisung, den Bewegungsimpulsen des Pferdes - im Rahmen des Vernünftigen - nachzugeben. Die Pferde gaben auch unter diesen Bedingungen gemäßigter Bewegungsfreiheit wichtige Impulse zum Aufstellungsverlauf, und die Sicherheit für die Teilnehmer konnte auch bei emotional erregten Pferden gewährleistet werden. Die Stellvertreter, welche solchermaßen das beteiligte Pferd führen, sollten allerdings erfahrene Pferdepraktiker sein.

 

Unsere bisherigen Erfahrungen mit Tier-Aufstellungen zeigen, daß es in mehr als zwei Drittel der Fälle um gewaltbeladene Familiengeheimnisse aus dem Umkreis seelischer Verwirrungszustände oder tiefe Depressionen geht. Weitere Erfahrungen werden zeigen müssen, ob dies generell bei Tieraufstellungen so ist.

Auffallend ist auch, daß es in unseren Tieraufstellung bisher stets um Verstrickungen der Tiere im Familiensystem ihrer Menschen ging. Lediglich in einer einzigen psycho-kinesiologischen Behandlung ergab es sich kürzlich, daß eine sehr gedämpft, antriebsarm und fast depressiv wirkende Hündin ihr Leben nicht annehmen konnte, weil alle Geschwister als kleine Welpen an Staupe starben. Angesichts dieser Erfahrung dürfen wir mit aller Vorsicht, aber in tiefer Achtung festhalten, wie tief unsere Tiere mit uns verbunden sind.

 

Penelope Smith (6,7) - amerikanisches Medium, die auf die direkte, telepathische Kommunikation mit Tieren spezialisiert ist, und bei der wir im Sommer 2003 lernen durften, folgert aus zahllosen Behandlungs- und Beratungsbeispielen: Haustiere, die uns auf unserem Lebensweg begleiten, halten wichtige Botschaften und Lernaufgaben für uns bereit. Wenn wir Menschen dies ehrlich ernst nehmen, liegt darin für uns regelmäßig die Chance zu wichtigen spirituellen Entwicklungsschritten. Wir jedenfalls danken herzlich und mit Hochachtung all den wunderbaren Tieren, von denen wir so viel lernen durften!

 

Dieser Artikel wurde erstmalig Oktober 2003 - veröffentlicht in:

"Praxis der Systemaufstellung", Heft 2, Dezember 2003

 

-> vergleiche auch unseren Artikel vom Sommer 2007:

"Wie Verrücktheit Menschen und Tiere unfruchtbar machen kann"      

 

__________

 

 

Literatur und Anmerkungen:

1 Rosina Sonnenschmidt: Tierkinesiologie - Methoden der ganzheitlichen Systemdiagnose, 1999, ISBN: 3-877581-62-5
2 Dietrich Klinghardt: Lehrbuch der Psycho-Kinesiologie, 5. Aufl., INK Stuttgart, 2003
3 Sabina und August Rüggeberg: „Tier-Psycho-Kinesiologie und Familienstellen mit Tieren“, Zeitschrift „Hier und Jetzt“, 1/2002, S. 25-29 und 2/2002, S. 21-25, auch verfügbar auf dieser Website
4 Diese und das gesamte Aufstellungsseminar in Holland im August 2003 , u.a. die drei im Artikel beschriebenen Aufstellungen mit Pferden wurden von uns auf Video dokumentiert.
5 Franz Ruppert: Der verborgene Sinn von Psychosen - Grundzüge einer systemischen Psychotraumatologie, München 2002, S.11
6 Penelope Smith: Gespräche mit Tieren, Verlag 2001, 5. Aufl., 1998
7 Penelope Smith: Tiere  Gefährten auf dem Weg zur Ganzheit, Verlag 2001

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